Dänemark schafft Briefzustellung ab: Digitales Vorbild für Deutschland?

In Dänemark endet zum Jahreswechsel ein Kapitel, das hierzulande noch immer als selbstverständlich gilt: Der staatliche Postdienst Postnord Denmark stellt zum 31. Dezember 2025 die Briefzustellung vollständig ein. Gleichzeitig verschwinden landesweit rund 1.500 rote Briefkästen aus dem Straßenbild. Was nach einer Randnotiz klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein tiefgreifender Einschnitt – und wirft zwangsläufig die Frage auf, ob ein solcher Schritt auch für Deutschland denkbar wäre.

Foto: Tiberiu Ana / CC BY 2.0 (Flickr)

Warum Dänemark diesen Schritt geht

Postnord begründet den Rückzug aus dem Briefgeschäft mit veränderten Kommunikationsgewohnheiten. Klassische Briefe spielen im Alltag kaum noch eine Rolle, während digitale Kanäle längst dominieren. Gleichzeitig wächst das Paketgeschäft durch den Onlinehandel weiter. Die Briefzustellung sei wirtschaftlich nicht mehr tragfähig, so die Argumentation. Hinzu kommt: In Dänemark ist der digitale Kontakt mit Behörden längst der Normalfall. Über das System Digital Post erhalten Bürger amtliche Schreiben ausschließlich elektronisch. Die Nutzung ist ab dem 15. Lebensjahr verpflichtend, Ausnahmen gibt es nur in klar definierten Fällen. Der Zugang erfolgt über MitID, die zentrale digitale Identität für staatliche und viele private Online-Dienste.

Digitale Pflichtpost – funktioniert das wirklich?

Ja, in Dänemark funktioniert das. Allerdings nicht über Nacht, sondern als Ergebnis jahrelanger Vorbereitung. Digitale Identität, Verwaltungsprozesse, rechtliche Rahmenbedingungen und Akzeptanz in der Bevölkerung wurden konsequent aufgebaut. Wichtig dabei: Wer nachweislich nicht digital teilnehmen kann, hat Anspruch auf alternative Zustellwege – allerdings nicht mehr über den staatlichen Postdienst, sondern über private Anbieter. Der Schritt ist also kein blindes Digitaldogma, sondern Teil eines durchorganisierten Systems. Genau dieser Punkt wird in der deutschen Debatte oft ausgeblendet.

Deutschland: weit entfernt von dänischen Verhältnissen

Ein direkter Vergleich fällt für Deutschland ernüchternd aus. Zwar existieren mit der BundID, dem Onlinezugangsgesetz oder diversen E-Government-Portalen entsprechende Ansätze. In der Praxis scheitert es jedoch häufig an föderalen Zuständigkeiten, Medienbrüchen und rechtlichen Vorgaben. Papierformulare, Unterschriftenpflichten und Faxgeräte sind weiterhin Realität. Ein verpflichtendes digitales Behördenpostfach nach dänischem Vorbild würde hierzulande massive politische und gesellschaftliche Widerstände auslösen – nicht zuletzt wegen Datenschutzbedenken, digitaler Teilhabe und der Frage, wie ausfallsicher solche Systeme tatsächlich wären.

Vorbild oder Warnung?

Dänemark zeigt, dass vollständige Digitalisierung staatlicher Kommunikation möglich ist – wenn sie konsequent geplant und umgesetzt wird. Gleichzeitig macht der Schritt deutlich, wie groß der Abstand zu Ländern ist, die diesen Weg nie geschlossen gegangen sind. Für Deutschland ist das dänische Modell daher weniger Blaupause als Mahnung. Ohne verlässliche digitale Identität, funktionierende Verwaltungs-IT und klare Ausnahmeregelungen würde ein abrupter Abschied vom Briefkasten hier vor allem eines erzeugen: Chaos.

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20 Kommentare zu “Dänemark schafft Briefzustellung ab: Digitales Vorbild für Deutschland?

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