Chemnitzer Linux Tage 2023: Ein Ausflug in die Welt von Tux

Chemnitz ist nicht nur Kulturhauptstadt Europas 2025, sondern seit 1999 auch Austragungsort der Linux-Tage, die auf dem Campus der TU Chemnitz stattfinden. Dieses Jahr waren wir einmal abseits von Windows unterwegs und haben uns in der Open Source-Welt von Linux umgeschaut.

Das Veranstaltungsgebäude der CLT am TU Campus.

Nachhaltigkeit, weniger Abhängigkeiten und Open-Source-Software als zentrale Themen

Nachhaltigkeit ist nicht erst seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine eines der zentralen Themen unserer Zeit, sondern gerade im IT-Bereich schon viel länger. Dabei geht es aber nicht nur um die langfristige Nutzung von Hardware, sondern auch um die Unterstützung der europäischen oder sogar der lokalen Wirtschaft.

v.l.: Dr. Andreas Mundt, Andreas Grupp und Frank Schiebel.

Der Vortrag zum Thema »Bildungssysteme nachhaltig digitalisieren« diente hier als Beispiel. Hier stellten die drei Referenten dar, wie im wahrsten Sinne des Wortes über das Wochenende die entsprechenden Infrastrukturen für die Schulen in Baden-Württemberg geschaffen wurden, um im Anschluss an den ersten Lockdown im Jahr 2020 den Unterricht aus der Ferne zu ermöglichen. Dabei wurden auch die Probleme der vergangenen Jahre deutlich, da jeder Landkreis und teilweise sogar jede Gemeinde ihre eigenen Wege hatte, um digital zu partizipieren. Während einige Schulen auf Microsoft 365 und Teams setzten, hatte in anderen Schulen ein engagierter Informatiklehrer eine Jitsi-Instanz eingerichtet, die die Schülerinnen und Schüler nutzen sollten.

Am Ende entstand in Baden-Württemberg eine der weltweit größten BigBlueButton-Instanzen. Pro Host können bis zu 28 Container-Instanzen betrieben werden. Gepaart wurde die Videokonferenzlösung mit der Lernplattform Moodle. Insgesamt eine Lösung, die sich bewährt zu haben scheint. Ob sie allerdings eine nachhaltige Alternative zu den Diensten von Microsoft und Co. werden kann, ist noch eine Frage der Zeit.

Knoppix-Entwickler füllt Hörsaal

Der Vortrag von Knoppix-Entwickler Prof. Dipl.-Ing. Klaus Knopper war für viele Besucherinnen und Besucher, so auch für mich, sicherlich ein Highlight. Das Debian-Derivat gibt es nun schon seit rund 23 Jahren. Es ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser, das man auf CD, DVD oder Stick mit sich herumtragen kann. Wie Knopper in seinem Vortrag erläuterte, ist alte Hardware übrigens kein Ausschlusskriterium. So habe er selbst als ältestes Testsystem noch einen Intel Pentium II, der gerade mal mit 500 MHz taktet. Dauert länger, funktioniert aber, so Knopper. Und in Teilen der Welt, in denen es nicht an jeder Ecke neue Hardware zu kaufen gibt, ist genau das wichtig.

Volles Haus beim Vortrag zum nachhaltigen Einsatz von Knoppix.

In der einfachen Bedienbarkeit bei gleichzeitig breiten Einsatzmöglichkeiten liegt sicherlich der große Vorteil von Knoppix. Vom einfachen Live-Boot-System zur Rettung von Dateien aus einer kaputten OS-Installation, dem schnellen Zugang zum Internet oder auch im installierten Zustand, um Menschen mit Behinderung die Nutzung eines Computers zu ermöglichen. Letztendlich gibt es wohl kaum etwas, was mit Knoppix nicht geht, sofern die richtigen Pakete vorliegen.

Prof. Dipl.-Ing. Klaus Knopper – der Entwickler hinter Knoppix.

Probleme mit dem PC? Die Praxis von Dr. Tux hilft.

Gerade für Umsteiger und Ausprobierer ist Linux unter Umständen etwas völlig Neues und man kämpft mit Problemen. Hier hilft die Praxis von Dr. Tux, die nach vorheriger Anmeldung kostenlos zur Verfügung steht. Lediglich der Eintrittspreis für die Veranstaltung ist zu entrichten. Das Spektrum reicht von der Erstinstallation bis hin zu komplexeren Problemen. Im Zuge der Anmeldung erklärt man sich jedoch damit einverstanden, dass vonseiten des Veranstalters keine Haftung für Schäden an der Hardware oder für den Verlust von Daten übernommen wird.

Eine kleine Reise ins Jahr 1983 gefällig?

Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf die Serviceleistungen. Und natürlich muss auch die komplette Hardware selbst mitgebracht werden, da es seitens der Veranstalter leider nicht möglich ist, Monitore, Eingabegeräte und sonstige benötigte Dinge zur Verfügung zu stellen. Trotzdem ein tolles Angebot, das sicherlich dem einen oder anderen Anwender helfen wird, sich einmal außerhalb von Windows umzuschauen. Ein Blick über den Tellerrand hat ja bekanntlich noch nie geschadet.

Natürlich ist nicht alles kostenlos, sondern teilweise auch kommerziell

Neben zahlreichen Vorträgen, die in bis zu sechs Hörsälen gleichzeitig stattfanden: Natürlich stellten sich auch freie, aber auch kommerzielle Projekte vor. Mit dabei waren unter anderem die Vertreter von Freifunk Chemnitz. Bereits seit dem Jahr 2011 betreibt der Verein ein offenes und anonymes WLAN-Netz in der Stadt. Mitmachen können Anwohner, die bereit sind, ihren Internetanschluss über einen separaten Router freizugeben. Als Betreiber eines Freifunk-Knotens muss man auch keine Angst vor Haftungsansprüchen haben. Denn die Anbindung an das öffentliche Netz erfolgt über Freifunk, die als Provider und somit als Ansprechpartner fungieren.

Auch das Team von Freifunk Chemnitz präsentierte sich.

Ein paar Meter weiter befand sich unter anderem der Stand von Ubuntu. Hier konnten sich die Besucher neben der »klassischen« Desktop-Variante auch über die mobilen Versionen informieren. Im Endkundenmarkt dürfte Ubuntu-Touch allerdings ähnlich populär sein, wie es Windows Phone bis zu seiner Einstellung war. Das Besondere an Ubuntu ist, dass es zwei Arten von Angeboten gibt. Zum einen wird das System komplett kostenlos angeboten, es können aber kommerzielle Elemente hinzugebucht werden, die vor allem für Unternehmen interessant sein dürften. Damit unterscheidet man sich von anderen primär kommerziellen Angeboten im Markt.

Fazit zu den CLT 2023

Für mich, der Linux im Alltag eigentlich nur auf Servern nutzt und auf dem Desktop meist macOS oder Windows, waren die Chemnitzer Linuxtage durchaus interessant. Ob ich jetzt direkt auf Linux umsteigen würde? Mit Sicherheit nicht. Dafür fehlt mir einfach zu viel Software für meinen beruflichen Hintergrund inklusive etwaiger Plug-ins, die ich zum Arbeiten benötige. Sicherlich gibt es Alternativen. Aber ob diese dann den gleichen Funktionsumfang bieten? Ich weiß es nicht. Nicht umsonst gelten verschiedene Programme zudem als Branchenstandard. Hinzu kommt, dass der Mensch ja bekanntlich gerne in alten (evtl. schlechten) Gewohnheiten hängen bleibt. Durch die CLT 2023 wurde ich jedoch dazu angeregt, Neues auszuprobieren. Schiefgehen kann dank virtueller Maschine und Snapshot-Funktion eigentlich nichts. Und wenn doch, dann ist der ursprüngliche Zustand schnell wieder hergestellt.

Sieht aus wie Windows 2000, ist allerdings ReactOS – ein Open Source-Klon.

Wer aus welchen Gründen auch immer nicht live vor Ort sein kann, hat aber zumindest die Möglichkeit der Teilnahme an den Vorträgen in Form einer Live-Übertragung. Darüber hinaus werden die aufbereiteten Vorträge einige Wochen nach Ende der Chemnitzer Linux-Tage zur Verfügung gestellt, sofern die Referenten damit einverstanden sind. So ist sichergestellt, dass kein Wissen verloren geht und mit einem internetfähigen Endgerät im Nachgang problemlos abgerufen werden kann. Alles in allem war es eine gelungene Veranstaltung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es nach drei Jahren Covid-19 die erste Präsenzveranstaltung dieser Größenordnung war.

Tipp: Wer am Erscheinungstag schnell ist, hat noch bis 18 Uhr Gelegenheit, die Veranstaltung live mitzuerleben oder zumindest einen der zahlreichen Vorträge zu streamen.

Disclaimer: Ich habe die Chemnitzer Linux Tage als akkreditierter Medienvertreter besucht. Dennoch gebe ich in diesem Artikel meine persönliche Sicht auf die Veranstaltung wieder. Eine Verpflichtung, positiv über die CLT oder Teile davon zu berichten, habe ich von den Veranstaltern nicht erhalten.

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36 Kommentare zu “Chemnitzer Linux Tage 2023: Ein Ausflug in die Welt von Tux

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