Hat sich VW beim Golf 8 (VIII) technisch verspielt?

Neben Windows, MAC, Linux & Co. gibt es auch Technik und Multimediasysteme in Autos. Und auch diese Systeme sind für uns IT-Blogger natürlich sehr interessant. Da ich hauptberuflich als Informatiker arbeite, sind mir digitale Assistenten und Features in Autos sehr wichtig. Ähnlich wie Zuhause in meiner Wohnung, möchte ich Assistenten nicht mehr meiden. Nun habe ich meinen Opel Astra K abgegeben und fahre einen Golf 8 und bin etwas enttäuscht.

Zumal der VW Golf 8 im letzten Jahr keine gute Presse machte. Zwei Rückrufe verzeichnet das (eigentliche) Top-Modell von VW aufgrund von Softwareproblemen in 2021. Alle Autos werden, aus Kulanz durch VW, zurückgerufen. Die Software läuft sehr schlecht. Viele YouTube Videos bestätigten diesen Umstand schon beim Erscheinen des Fahrzeugs. Software ist die eine Sache – doch Hardware einfach verschwinden lassen, ist die andere Sache.

Der VW Golf 8 (VIII) ist ein wirklich schönes Auto. Natürlich ist das Ganze immer Geschmackssache, aber VW baut solide Fahrzeuge. Mit dem Golf 8 nahm man eine enorme Änderung der Innenausstattung vor. Man möchte deutlich digitaler werden und versucht alles mit Software und Touch zu lösen. Das bedeutet gleichzeitig auch: Drehregler und Knöpfe verschwinden.

Und genau hier haben die Wolfsburger an vielen Stellen falsch technologisiert. Fangen wir mal mit dem Klassischen an: Das Multimediasystem. Das Multimediasystem im Golf VIII ist ein 10 Zoll großes Touchdisplay mit touchintensiven Reglern unterhalb des Bildschirms. Alle nötigen Funktionen des Fahrzeugs befinden sich auch irgendwo in der Software, allerdings sind viele Funktionen einfach zu schwer zu erreichen.

Die Touchbedienung unter dem Display umfasst die Klimaanlage (zumindest die Temperatur für Fahrer und Beifahrer), sowie die Lautstärke. Wenn man allerdings jetzt der Mensch ist, der bei einem guten Song sofort richtig Party machen möchte wird maßlos enttäuscht. Einen Drehregler oder eine Möglichkeit von 0 auf 100 zu drehen ist so gut wie nicht gegeben. Man muss bei der Touchbedienung tatsächlich mehrmals mit dem Finger „drüber fahren“, damit der Lautstärke-Balken sich allmählich füllt.

Da ich großer Opel-Fan war und auch immer noch bin, habe ich mich selbstverständlich auch mit dem neuen Astra L auseinandergesetzt. Und irgendwo (Quelle leider unauffindbar) hat Opel gesagt: „Wir werden selbstverständliche Bedienelemente, wie einen drehbaren Lautstärkeregler, nicht entfernen.“ Und genau das wünschte ich mir beim Golf 8 eigentlich auch. Ich höre sehr gerne Musik, auch sehr gerne mal laut. Doch mal eben die Mukke aufdrehen ist nicht – vor allem am Drehen scheitert es. Ein Bedienelement was da sein muss. Das standardmäßig-verbaute Multifunktionslenkrad löst das Problem nur wenig.

Nun gut. Man gewöhnt sich dran. Die Kollegen von Motorreport haben das ganze technologische Spektakel von VW auch nochmal unter die Lupe genommen. Und ich kann vieles genauso unterschreiben, einiges finde ich aber doch noch viel schlechter, als in dem Video dargestellt. Kommen wir zur Navigation:

Der Golf 8 besitzt ein Navi. Jedes Smartphone besitzt ein Navi. Meist ist es Google Maps. Der Golf 8 ist aus Ende 2019. Ratet mal, welche Software beim Herein- und herauszoomen bei einer Navigationskarte ruckelt? Genau. Der Golf 8. Das soll zwar durch das Update, welches Ende 2021 angekündigt wurde, besser werden. Allerdings ist das für ein Auto in dieser Preisklasse und mit dem Anspruch ein Armutszeugnis. Der ehemalige Touran meiner Eltern (Erstzulassung 2008) lief weder besser noch schlechter beim Zoomen.

Software muss schnell und stabil sein. Alle reden immer davon, dass Software so wichtig ist. Manchmal frage ich mich aber tatsächlich, wer so etwas entscheidet. Saßen die Menschen, die sich das Ganze ausgedacht haben, jemals selbst in dem Auto und haben es getestet? Vermutlich nicht. Da wird von oben etwas entschieden und in der Praxis läuft das alles nicht. Das Zoomen einer Navigationssoftware ist, meiner Ansicht nach, kein Neuland.

Es gibt aber noch mehr Dinge, die einfach stören. Die Start/Stopp-Automatik ist für viele Fahrer ein Unding. Oft wird diese direkt bei Fahrtbeginn deaktiviert. Doch wo ist der Knopf dafür? Knopf… eher „Wo ist das Menü?“. Ja, man muss so eine Funktion tatsächlich auch über das Touchdisplay ausschalten. Allerdings befinde sich eine Schnelleinstellung in der Benachrichtigungsleiste des Golf 8. Ähnlich wie beim Smartphone, zieht man diese von oben nach unten runter. Wenn man es weiß, ist es okay.

VW GOLF 8

Natürlich ist der VW Golf 8 kein schlechtes Auto. Es fährt. Manche Funktionen sind auch echt besser gelöst, als vorher. Die Assistenzsysteme sind schneller zu erreichen und auch die Klima-Einstellungen sind ganz nett gestaltet. Vor allem kann man auch vieles per Sprache steuern. So Spracheingaben wie „Mir ist kalt.“, können verarbeitet werden. Doch mir geht es um die Grundsatzentscheidung bei so einem Fahrzeug und vor allem, worauf Fahrer und Käufer in der Regel nicht verzichten wollen.

Tatsächlich sind so gut wie alle Tasten des Golf 8 per Touch bedienbar. Sowohl die Lichtsteuerung auf der linken Seite, wie auch die Lichtsteuerung an der Decke für die Autoinnenbeleuchtung. Das große Problem bei Touch: Man bekommt so gut wie kein Feedback. Habe ich da jetzt wirklich draufgedrückt bzw. wo ist der Knopf eigentlich, wenn man nicht hinschaut. Man kann diese Touchelemente kaum noch erfühlen, da diese keine Umrandungen mehr aufweisen.

VW wollte mit dem Golf 8 vieles richtig machen und auch etwas wagen. Doch einiges ist einfach gänzlich schief gelaufen. Ein weiteres Beispiel, was überhaupt nichts mit dem Multimediasystem zu tun hat, ist die Schlüsselablage. Wer die Materialen und die Größe designet hat, sollte vielleicht mal selbst überlegen, was er neben dem Autoschlüssel noch am Bund hat. Denn erstens ist die Schlüsselablage relativ klein und scheint ausschließlich für den Autoschlüssel gewesen zu sein und zweitens zerkratzen die Materialien schnell, wenn man andere Schlüssen an seinem Schlüsselbund hat.

Ich wollte aber den Golf 8, da es ein Firmenfahrzeug ist. Privat hätte ich es mir vermutlich öfter überlegt. Ich kann mich mit dem ganzen Systeme anfreunden und habe auch Lust auf solche Experimente. Wenn ich allerdings höre, dass VW bereits ein Update herausgebracht hat, was die Stabilität der Systeme erhöht – die softwareseitig auch noch extrem verbuggt sind – aber bei zukünftigen Baureihen bessere Hardware einbauen wird, platzt mir fast der Kragen. Das wäre genauso, als wenn Apple in neueren iPhone 13 Modellen einfach mal die doppelte Megapixel anbietet, weil man gemerkt hat, dass die erste Hardware nicht ausreicht. Ein unangenehmer Beigeschmack bei einer Autoreihe mit positiver Geschichte.

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