Eine zufällige Laborentdeckung eröffnet die Möglichkeit für weitreichende Verbesserungen in der Wirkstoffsuche, der Anwendung von selektiven Schmerzmitteln und der selektiven Nukleierung von Krebszellen. Das geheimnisvolle Material? Graphen, ein Halbmetall, das aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen besteht. Es wird bereits eingesetzt, um flexible OLED-Displays herzustellen und die Energiekosten der Meerwasserentsalzung zu senken, aber auch die potenziellen Vorteile für den medizinischen Bereich sind vielversprechend.
Die Theorie: Wissenschaftler an der Universität von Kalifornien wussten, dass Graphen Licht in Elektrizität umwandeln kann, und fragten sich, ob diese Elektrizität die Fähigkeit hatte, menschliche Zellen zu stimulieren. Graphen ist extrem lichtempfindlich (1.000 mal mehr als herkömmliche Digitalkameras und Smartphones) und nach Experimenten mit unterschiedlichen Lichtintensitäten entdeckten Alex Savchenko und sein Team, dass Zellen tatsächlich durch optische Graphenstimulation stimuliert werden können.
Savchenko glaubt, dass dies bedeutsam ist, weil es Forschern erlaubt, Zellen so zu kultivieren, als ob sie im Körper arbeiten. Anstatt auf Petrischalen zurückzugreifen, könnten Wissenschaftler künstlich eine Schmerzreaktion in Neuronen stimulieren und dann ein Anti-Schmerz-Medikament entwickeln, das sich nur mit Schmerzrezeptoren befasst, die in diesem speziellen Fall involviert sind. Weil der Prozess nur als Schmerzbehandlung funktionieren würde, besitzt er nicht die Fähigkeit, eine entspannende Droge wie Morphium oder Kodein zu werden/sein.
Der potenziell bahnbrechende Takeaway ist die Fähigkeit von Graphen, Krebszellen auszulöschen, ohne benachbarte gesunde Zellen zu schädigen. IEEE Spectrum erklärt, dass das elektrische Ruhepotential (ERP) von Krebszellen normalerweise niedriger ist als bei gesunden Zellen. Dies bedeutet, dass es weitaus weniger elektrische Stimulation benötigt, um die Ionenkanäle von Krebszellen zu öffnen und hält man diese lange genug offen, kann ein tödlicher Zustrom von Ionen sie atomisieren.
Graphen mag nun wie das Heilmittel erscheinen, aber es ist nicht perfekt – bestimmte Formen können für den Menschen giftig sein, und die langfristigen Nebenwirkungen, wenn überhaupt, sind noch relativ unbekannt. Bis Savchenko und sein Team zu menschlichen Studien übergehen können, ist noch mehr Forschung nötig, um zu entscheiden, ob es eine tragfähige therapeutische Lösung werden kann.
Persönlich finde ich es unglaublich, was moderne Technik und Medizin alles erreichen kann. Hoffen wir auf eine erfolgreiche weitere Testphase, sodass Krebs uns nichts mehr anhaben kann.
Quelle: Science Advances
BQuelle: Pixabay
Interessante Entdeckungen mit durchaus großem Potenzial. Wichtig ist nochmal zu erwähnen, dass nicht das Graphen der alleinige Heilsbringer ist, sondern lediglich als Instrument in dem langen Prozess der Entwicklung eines Arzneimittels, vom Screening bis zur Markteinführung, dient. Man benötigt also zur therapeutischen Wirkung immer noch einen Arzneistoff und damit die üblichen mit der Entwicklung verbundenen Hindernisse. Weitere Entwicklungen werden dann sicher über die Jahre folgen.
Zu folgendem Satz „Weil der Prozess nur als Schmerzbehandlung funktionieren würde, besitzt er nicht die Fähigkeit, eine entspannende Droge wie Morphium oder Kodein zu werden/sein.“ möchte ich noch etwas sagen.
Ganz so einfach ist es dann aber nicht. Um den Unterschied der verschiedenen Analgetika und den zwischen NSAR und Opiaten zu verstehen, muss man sich zwangsläufig mit Schmerzentstehung und Rezeptoren befassen (führt jetzt hier zu weit). Das Problem ist aber nicht nur pharmakologischer (Targeting), sondern auch (pharmazeutisch) technologischer Natur. Der Transport des Arzneistoffs zum Wirkort (Drug Delivery) ist essentiell, um größeren Schaden abzuwenden, oder überhaupt eine therapeutische Wirkung zu erzielen (Erreichen des Zielortes).
Auch wenn ein schnell gefundenes, zugegebenermaßen utopisches, Heilmittel gegen Krebs wünschenswert ist, wird der Weg dahin ein steiniger und langer sein.
PS: Eine Sache stört mich dann doch an deinem Beitrag. Der unvermittelte Zustrom von extrazellulären Ionen führt über eine Veränderung des Ruhemembranpotentials zur Apoptose, aber nicht zu einer „Atomisierung“.